20170816

Die Altmühl

Viel Natur – adrette Dörfer und Städtchen – freundliche Menschen





Wir haben viel von ihr gehört, jetzt wollen wir sie mal persönlich kennenlernen, die Altmühl. Als Startpunkt wählen wir Treuchtlingen und als Ausstiegsort Beilngries, eine Stadt am Ende der Altmühl, noch bevor der Fluss zum Teil des Rhein-Main-Donaukanals wird. Wir wollen Beilngries am vierten Tag unserer Flusswanderung erreichen und stellen eines unserer beiden Autos auf einem Parkplatz in der Nähe des Campingplatzes ab. Als Anreisetag haben wir den 10. August geplant. Wie sich herausstellt, ebbt die diesjährige Hitzewelle exakt vorher ab und beschert uns auf unserer Fahrt Bewölkung, zeitweise Regen und Temperaturen unter 16°C. Als Flusswanderer sind wir zwar nicht zimperlich, aber als es am Anreisetag bereits regnet und der Wetterbericht für den nächsten Tag Schlimmeres ankündigt, sind wir „not amused“.
Wir werden im Hotel Stadthof Treuchtlingen von zwei Damen freundlich empfangen und man bietet mir sogar eine leere Halle als Platz für den Aufbau meines Faltbootes im Trockenen an. Mit hoteleigenen Regenschirmen machen wir uns dann an die abendliche Besichtigung der Stadt Treuchtlingen. Bei einem Italiener finden wir noch einen freien Tisch und genießen den auf uns leicht chaotisch wirkenden Organisationsablauf des Lokals, den engagierten Kellner und auch das Auftauchen des Kochs, als es eine offene Frage zu klären gibt.

Erster Tag:

Ich baue nach einem ausgezeichneten Frühstück mein Falt-Kajak in der angebotenen Halle auf, während Erwin und Gerald dank ihrer Prion-Kunststoffboote noch eine Stunde Hotelzimmer genießen können. Dann ziehen wir bei dräuenden Wolken über unseren edlen Häuptern die Boote auf unseren Bootswagen zur zweihundert Meter entfernten Einstiegsstelle und die Erforschung des Flusses beginnt.
Wir lernen die Altmühl als romantisches, seichtes, mit Teichrosen verziertes, sehr langsam fließendes Gewässer kennen, bei dem der Kiel immer wieder über diverse Wasserpflanzen gleitet oder dem Schotterboden gefährlich nahe kommt. Manchmal transportieren wir auf unseren Doppelpaddeln vorübergehend auch grüne Schlingpflanzen. 




Das Wetter ist besser als erwartet.Wir sehen Pappenheim und Solnhofen, ziehen an sehr schönen Gesteinsformationen, den „Zwölf Aposteln“, vorbei und begegnen Enten und Reihern. Dabei müssen wir uns immer wieder einen Weg zwischen umgefallenen Bäumen, weit ins Wasser hereinhängenden Weiden und knapp unter der Wasseroberfläche liegenden Schotterbänken suchen.
Da wir auf eine Mittagspause verzichten, geht es bis zum frühen Nachmittag nach Mörnsheim, wo wir unsere Boote regendicht verpackt am Zeltplatz Hammermühle liegen lassen dürfen, der etwa zwei Kilometer von unserer Unterkunft, dem „Gasthof zum Brunnen“ in Mörnsheim, entfernt liegt. Erwin hat klugerweise vorher mit der Wirtin Kontakt aufgenommen und die hat zugesagt, uns vom Zeltplatz abzuholen, so dass uns ein längerer Fußmarsch mit schweren Bootssäcken erspart bleibt. Dadurch sind wir motiviert, uns nachher auch bei leichtem Regen ein bisschen im Dorf umzuschauen. Wir entdecken ein ziemlich geschmackvoll renoviertes Kircheninneres, schöne und saubere Häuser und eine Art Maibaum, mit historischen Darstellungen. Durch das Dorf zieht ein regulierter kleiner Bach, der für ein bisschen mehr Wasser in der Altmühl sorgt.
Bei einem guten Abendessen und einem Glas Wein beenden wir den Tag, indem wir noch stundenlang diskutierend beisammen sitzen.

Zweiter Tag:

Nach dem Frühstück fährt uns die Wirtin zurück zu unseren Booten und kurz darauf ziehen wir schon wieder auf der Altmühl dahin, unserem Tagesziel Eichstätt entgegen. Die Flussgeschwindigkeit bewegt sich fast immer zwischen null und einem Stundenkilometer und wir sind etwas enttäuscht von der Wasserqualität der braunen Altmühl.
Es gibt relativ viele Wehre mit Umtragestellen, die aber meist in wenigen Metern zu bewältigen sind. In vielen Fällen brauchen wir nicht einmal die Bootswagen, sondern tragen oder ziehen die Kajaks über die Wiese zu den Einsetzstellen im Unterwasser. 





In Einzelfällen gäbe es auch Bootsgassen, die enden aber immer in einem Riesenschwall und wir haben gerne einigermaßen trockene Boote. An einzelnen Stellen, bei denen nur schmale Gassen zwischen knapp unter der Oberfläche liegenden Schotterbänken entstanden sind, gibt es für wenige Meter eine richtige Strömung. Da an einer dieser Stellen ein Baum tief ins Wasser hängt, bleibe ich mit einem Rad des hinter mir auf dem Kajak befestigten Bootswagens an einem Ast hängen, werde von der Strömung quergestellt und nach vorne gedrückt. Ich kämpfe zwei Minuten lang mit dem Ast und der Strömung und denke sogar schon ans Aussteigen, um das Boot zu befreien, als es sich mit einem Ruck löst. So lauern auf der Altmühl also auch gar schröckliche Gefahren!
Zwischendurch beobachten wir Wasservögel. Schön anzusehen sind die Reiher, wie sie mit angehobenem Schnabel regungslos im Wasser oder am Ufer stehen, aber immer weg fliegen, wenn sich unsere Boote auf zwanzig bis dreißig Meter genähert haben.



Auf dem stark mäandernden Fluss gibt es immer wieder wunderbare Fotomotive, an denen man nicht vorbeikommt, ohne abzudrücken, sei es wegen schöner Burgen, wegen steiler Felsen, wegen Riesenteppichen mit Teichrosenblättern und -blüten oder interessanten Vögeln.



Bereits im Bereich der Stadt Eichstätt kommen wir zu einer niedrigen Brücke von der ein großes Schild mit der Aufschrift „Durchfahrt verboten“ herunterhängt. Erwin erkundigt sich bei einer am Ufer stehenden Frau, warum Eichstätt beschlossen hat, dass hier das Ende unserer Fahrt sein soll. Sie weiß es nicht, also ignorieren wir das Verbot und fahren weiter bis zum städtischen Campingplatz, bei dem wir eine Ecke finden, die unsere Boote über Nacht ausreichend schützt. Von dort weg ist wieder ein Fußmarsch angesagt. Wie wir von einem Mann mit Hund erfahren, ist es zum vorgebuchten Hotel zwar nur eine Viertelstunde, aber es reicht, dass uns die Bootssäcke mit unseren Siebensachen die Arme um gefühlte zehn Zentimeter verlängern.
Nach Einchecken, Dusche und Kleidungswechsel fühlen wir uns in der Lage, die hübsche Stadt Eichstätt näher unter die Lupe zu nehmen. 



Wir durchwandern die gesamte Innenstadt mehrmals und machen uns, weil bereits der Hunger in den Eingeweiden bohrt, auf die Suche nach einem geeigneten Lokal. Das ist schwieriger zu finden als gedacht. Wo wir hinkommen ist entweder alles voll oder eine Gruppe von Leuten wartet schon vor der Eingangstür auf einen freien Tisch. Schließlich landen wir wieder bei einem Italiener, auch total voll, aber wir kriegen für eineinviertel Stunden einen Tisch zugesichert. Während wir versuchen, das ausgezeichnete Essen einschließlich eines Glases Chianti in der vorgegebenen Zeit zu bewältigen, kriegen wir vom ziemlich überlastet wirkenden Kellner noch einen Aufschub genehmigt, was uns den Essensgenuss rettet. Wir sind ihm sehr dankbar, denn während wir essen, muss er immer wieder neu hereindrängende Leute abwimmeln.

Dritter Tag:

Nach dem Frühstück bestellen wir ein Taxi. Unser Transport und der unseres Gepäcks zum Campingplatz ist uns die fünf Euro wert, die es kostet.
Kurz darauf schwimmen unsere Boote wieder im Wasser und wir sind wieder mit einer ähnlichen Altmühl konfrontiert, wie in den vergangenen Tagen. Diesmal vielleicht mit einer etwas weniger kurvenreichen. Auch heute gibt es wieder viele Wasservögel zu sehen, viele seichte Stellen zu überwinden, bei denen wir den Kiel nicht selten über den Schotter schrammen hören, und eine herrliche Flusslandschaft. Auf einer langen Teilstrecke ohne Wehr machen wir, um uns die Füße ein bisschen zu vertreten, am Ufer eine Mittagsrast, allerdings ohne Mittagessen. Nach uns landet eine Junge Mutter mit kleiner Tochter an. Wir hatten ihren Kajak knapp vorher überholt. Als wir an einem Holztisch beisammen sitzen kommen wir ins Gespräch und sie erkundigt sich nach unserem Woher und Wohin und auch nach unseren Kajaks, da sie vorhat, sich vielleicht auch eines zu kaufen. Das Boot, mit dem sie heute hier ist, ist ein Leihboot. Ihr Töchterchen – sie heißt Johanna, wie sie uns sagt – bietet uns von ihrem Mittagessen eine Gurkenscheibe und ein Stück Paprika an, was wir gerne und mit Dank annehmen.



Nach diesem netten Kontakt fahren wir die restlichen vier Kilometer nach Kipfenberg, unserem heutigen Tagesziel. Auch hier haben wir eine Pension vorgebucht. Einen Ausstieg finden wir bei einem Bootsverleih. Wir überlegen, ob wir unsere Kajaks hier ungeschützt liegen lassen können und entschließen uns dazu, weil wir eigentlich keine Alternative haben. Ein junger Mann mit Dreadlocks, der den Bootsverleih betreut, beobachtet uns dabei und bietet uns seine Hilfe an. Er sagt, wir können die Boote gerne über Nacht hier liegen lassen und schlägt vor, sie mit einem dünnen Stahlseil und einem Schloss zu sichern. Wir sind hocherfreut über das Angebot, noch dazu wo es heute in Kipfenberg das „Limesfest“ gibt, an dem Leute vielleicht zu alkoholbedingten, sonderbaren Überlegungen kommen könnten. Er fädelt das Seil durch meinen Bootswagen und verschiedene Ösen unserer Boote, dann um einen Baumstamm und verschließt es mit einem Vorhängeschloss. Anschließend gibt er uns den Schlüssel und sagt uns, wo wir Seil, Schloss und Schlüssel am nächsten Morgen deponieren sollen. Wir sind begeistert von der heutigen Jugend und sagen ihm das auch.



Als wir bei unserer Pension ankommen, erwischen wir gerade noch den Besitzer, der vorhat, zum Limesfest zu gehen. Auf einem Schild hätte er uns informiert, dass er in ein paar Stunden wieder zur Verfügung stehen würde. Das wäre lustig für uns gewesen, verschwitzt und mit Gepäck beladen irgendwo zu warten. So aber ist alles gut. Wir kriegen unsere Zimmerschlüssel, duschen und ziehen uns um, durchwandern den Ort und landen schließlich beim Limesfest. Dort wandeln viele Leute in historischen Kostümen, was wirklich gut aussieht. Der Trubel in der Festhalle und der Lärm ziehen uns aber weniger an. Wir gehen zurück zum Ort und besichtigen einige Lokale. Wir landen dann in einem griechischen Lokal mit hervorragendem Essen, gutem Wein und exzellenter Bedienung. Der Besitzer kennt Österreich und hat sogar mal überlegt, bei uns ein Lokal aufzumachen.
Wir genießen diesen kulinarischen Event, spazieren gemächlich zu unserer Pension und gehen früh zu Bett.



Vierter Tag:

Wie üblich starten wir den Tag mit einem Frühstück um halb acht, suchen dann unsere Boote (sie sind noch da!), schließen sie auf und sind bald wieder auf dem Wasser. Wir haben nur mehr siebzehn Kilometer nach Beilngries. Die kurze Fahrt kommt uns entgegen, weil wir heute noch zurück nach Treuchtlingen müssen, um das zweite Auto zu holen und anschließend nach Hause zu fahren.
Heute ist der erste sonnige und heiße Tag. Wir haben unsere Sonnencreme, Sonnenschutzfaktor 50 also doch nicht umsonst mitgenommen! 



Die Fahrt ist so schön wie an den vorigen Tagen, nur erleben wir heute erstmals, was uns vorausgesagt worden ist: eine Armada von Leihbooten, die den schmalen Fluss teilweise versperren. Das ist – bedenkt man den extrem niedrigen Wasserstand, bei dem man immer nach einer schmalen Fahrrinne Ausschau halten muss – nicht sehr angenehm. Heute ist das Wasser noch seichter als an den vergangen Tagen und Gerald und ich sitzen sogar einmal auf. Ich kann mich nur befreien, indem ich mitten im Fluss aussteige. Das Wasser ist knöcheltief …
Bald sind wir in Beilngries. Ungefähr dreihundert Meter vor der öffentlichen Ausstiegsstelle finden wir den Ausstieg des Campingplatzes, bei dem wir anlanden. Wir entdecken eine freie Wiese, die sich zum Abbau meines Faltbootes eignet und wo auch genügend Platz für die Kajaks von Gerald und Erwin ist. Während ich mich an den Abbau meines Bootes mache, erkundigen sich die beiden bei der Campingrezeption, ob wir die Erlaubnis haben, das Gelände des Platzes für unser Vorhaben zu benützen. Die Leute sind sehr nett und wir kriegen die Genehmigung ohne Probleme. 



Dann fährt Erwin mit Gerald in meinem Auto nach Treuchtlingen, zu Geralds Wagen um mit beiden zurückzukommen. Ich erwarte die Zwei in zweieinhalb Stunden. Obwohl ich langsam arbeite, bin ich in einer Dreiviertelstunde mit dem Zerlegen meines Bootes fertig. Dann beginnt die Wartezeit, die mir aber entgegenkommt, weil die Bootshaut in der prallen Sonne ordentlich trocknen kann. Die beiden kommen mit den Autos pünktlich zurück und in der nächsten halben Stunde beladen wir die Fahrzeuge, bevor wir zum Abschluss-Mittagessen ins Zentrum von Beilngries fahren. Wir finden einen schönen Gastgarten, trinken eine Apfelschorle und essen einen großen, bunten Salat. Dann verabschieden wir uns von der Altmühl und auch voneinander. Wenn alles gutgeht, werden wir in dreieinhalb Stunden in Linz einfahren.